Bewusster leben durch Tagebuchschreiben: 10 Tipps und Techniken
Es gibt kaum eine bessere Methode zur Steigerung des Selbstbewusstseins, als Tagebuch zu führen. Regelmäßiges Schreiben über persönliche Erlebnisse, Gedanken und Gefühle eröffnet neue Wege und Möglichkeiten und trägt zu einer bewussteren Lebensgestaltung bei.
Dass ein Tagebuch wertvolle Einsichten liefern kann, wussten schon Virginia Woolf, Franz Kafka, Max Frisch, Albert Einstein, Che Guevara und John Lennon – sie alle waren leidenschaftliche Tagebuchschreiber.
Erlebtes festhalten: das Tagebuch als Chronik des eigenen Lebens
Mir selbst passiert es manchmal, dass ich im Gespräch mit Freunden an Ereignisse erinnert werde, die ich längst vergessen habe oder an die ich mich nicht mehr im Detail erinnere. Wir vergessen im Laufe unseres Lebens einfach unglaublich viel. Auch sehr viel schöne Momente, Erlebnisse, Gefühle und Erfahrungen – aber gerade diese Dinge machen unser Leben aus.
Ein gutes Mittel gegen das Vergessen ist das Tagebuchschreiben. Die persönlichen Aufzeichnungen können später als Chronik des eigenen Lebens dienen, in der man immer wieder blättern kann. Ich stelle mir gerne vor, wie ich mit 80 Jahren meine Notizen aufschlage und nachlese, was ich im Mai 2014 mit Anfang 30 so gemacht habe.
Das Geschriebene wird zur Gedächtnisstütze und kann Stimmungen und Gefühle von damals wieder zum Leben erwecken. Der deutsche Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil geht noch weiter: „Schreiben über sich selbst ist eine lebensnotwendige, lebensverlängernde, lebensintensivierende Kraft“.
Wie Tagebuchschreiben uns intensiver und bewusster leben lässt
Neben dem Einsatz als Gedächtnisstütze eignet sich ein Tagebuch hervorragend zur „Psychohygiene“. Denn regelmäßiges Schreiben wirkt befreiend. Es erlaubt uns, Abstand zum Alltag zu gewinnen und uns auf das zurückzubesinnen, was uns wichtig ist. Eine Situation, die zuvor vertrackt und kompliziert wirkte, sehen wir plötzlich klarer, indem wir unsere Gedanken schriftlich sortieren.
Ein Tagebuch kann auch dabei helfen, schädliche Muster in der eigenen Lebensweise zu erkennen, zum Beispiel bei der Partnerwahl oder in der Ernährung. Das Schreiben zwingt uns dazu, intensiver nachzudenken und eigene Stimmungen und Verhaltensweisen bewusst zu machen. Die ehrliche Auseinandersetzung mit uns selbst fördert die Selbsterkenntnis und Fähigkeit zur Problemlösung. All dies trägt zu einer bewussteren, aktiveren Lebensgestaltung, einem gesteigerten Selbstwertgefühl und der persönlichen Weiterentwicklung bei.
Auch bei der Bewältigung von Lebenskrisen oder Liebeskummer kann das Schreiben eine große Hilfe sein. Viele Menschen nutzen es zudem als Ventil zum Stressabbau. Sie schreiben sich den Stress wortwörtlich von der Seele. Das wirkt nicht nur kurzfristig entlastend, sondern kann auf lange Sicht sogar einem Burnout oder einer Depression vorbeugen.
Doch ein Tagebuch zu schreiben bewirkt noch mehr: Es hilft uns dabei, uns unsere eigene Meinung zu bilden, Ideen zu entwickeln und der eigenen Kreativität Raum zu geben.
Tagebuch führen: Tipps und Techniken
So ein Tagebuch ist also eine feine Sache! Doch wie fängt man an? Wie bleibt man motiviert?
Generell gilt, dass es nicht die eine Methode gibt, ein Tagebuch zu führen. Da Tagebuchschreiben eine sehr persönliche Art der Ausdrucksweise ist, hat auch jedes Tagebuch einen individuellen Stil. Tagebücher sind ebenso unterschiedlich, wie die Menschen, die sie schreiben. Im Gegensatz zu anderen Herangehensweisen an den Umgang mit Sprache existieren beim Tagebuchschreiben keine Regeln oder Normen. Es geht ja darum, den eigenen Gedankenfluss ungefiltert festzuhalten. Das geht am besten, wenn man einfach drauf losschreibt, ohne sich vorher die Worte im Kopf zurechtzulegen oder sich Sorgen um eventuelle Grammatikfehler zu machen. Man schreibt schließlich nicht für die Öffentlichkeit, sondern für sich selbst.
Um übrigens wirklich sicher zu sein, dass niemand außer einem selbst Zugriff auf das persönliche Journal hat, sollte es so aufbewahrt werden, dass andere gar nicht erst in Versuchung kommen können, es zu lesen. Empfehlenswert ist zum Beispiel ein sicheres Online-Tagebuch mit Passwortschutz.
Im Folgenden haben wir 10 bewährte Tipps und Techniken zusammengestellt, die dir den Einstieg ins Tagebuchschreiben erleichtern sollen.
1. Regelmäßigkeit schaffen: das Minutentagebuch
Viele Menschen haben irgendwann einmal ein Tagebuch geführt, es dann aber aufgegeben, weil ihnen die Zeit und Muße dazu fehlte. Um wieder eine Schreibgewohnheit zu entwickeln, sollte man anfangs versuchen, täglich zu schreiben.
Probiere es zum Einstieg mit einem Minutentagebuch: Schreibe morgens eine Zeile, in der du deinen inneren Zustand ausdrückst und abends eine weitere Zeile, mit der du den Tag zusammenfasst. Wenige Minuten täglich reichen schon, um eine Regelmäßigkeit in das Schreiben zu bringen. Du wirst dich wundern, wie schnell eine aussagekräftige Chronik daraus entsteht.
2. Beschreibe deine Lebenssituation
Eine weitere Möglichkeit ist, mit einer Beschreibung deiner aktuellen Lebenssituation zu beginnen. Schreibe über deine Arbeit, deine Beziehung, dein Umfeld. Wo stehst du im Leben? Bist du dort, wo du sein willst?
3. Expressives Schreiben
Schreibe an mehreren Tagen hintereinander 20 Minuten lang über ein aufwühlendes Erlebnis. Diese Art des expressiven Schreibens hat erwiesenermaßen eine positive Wirkung auf die seelische und körperliche Gesundheit. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die über traumatische Erfahrungen schreiben, in den darauffolgenden Monaten seltener zum Arzt gehen, eine bessere Immunabwehr haben und sich weniger depressiv und ängstlich fühlen als Menschen, die das Erlebte nicht schriftlich verarbeiten.
Es sei aber angemerkt, dass Tagebuchschreiben nicht für jeden geeignet ist. Über negative Emotionen zu schreiben kann bei manchen Menschen den Stress noch verstärken, statt ihn zu verringern. Das soll natürlich nicht so sein. Wenn du feststellst, dass das Schreiben dir nicht gut tut, solltest du vielleicht eine Pause einlegen und nach einer anderen Möglichkeit suchen, das Erlebte zu verarbeiten.
4. Verfasse ein Dankbarkeits- und Glückstagebuch
Notiere jeden Abend vor dem Schlafengehen drei Momente des Tages, in denen du dankbar oder glücklich warst. Das können Erfolge wie eine erledigte Aufgabe oder eine bestandene Prüfung sein, Situationen in denen du dich wohl gefühlt hast, wie zum Beispiel das morgendliche Kaffeetrinken im Bett, die warmen Sonnenstrahlen auf dem Weg zur Arbeit oder Schule, ein gutes Essen, das Zusammensein mit Freunden oder ein Spaziergang mit dem Hund. Du kannst auch motivierende Zitate sammeln oder inspirierende Fotos einfügen.
Lies deine Dankbarkeitsliste, wann immer du dich niedergeschlagen fühlst, um dich daran zu erinnern, dass es auch anders geht. Ein Dankbarkeitstagebuch hilft uns, das Positive um uns herum stärker wahrzunehmen und zu verinnerlichen und uns auf das zu konzentrieren, was da ist und nicht auf das, was fehlt.
5. Erstelle Lieblingslisten
Mache dir eine Liste deiner Lieblingssongs, eine mit Filmen, eine mit Büchern und eine mit Lieblingsgerichten. Notiere alles, was dir gefällt. Oder schreibe eine „Bucket List“, eine Wunschliste, die deine Lebensträume enthält; Dinge, die du schon immer einmal machen wolltest – Fallschirmspringen, eine Reise nach Argentinien, ein Start-Up gründen, ein Buch schreiben, Japanisch lernen. Halte Ideen fest, die du in die Tat umsetzen willst.
Manchmal vergisst man einfach, was einem gut tut und welche Träume und Ziele man eigentlich hat. Diese Listen werden dich stets daran erinnern.
6. Beginne ein Reisetagebuch
Wenn du mit den genannten Methoden keinen Einstieg findest, versuche es mit einem Reisetagebuch. Im Urlaub bist du von vielen neuen Eindrücken umgegeben, kommst auf andere Gedanken und hast mehr Zeit und Muße als im Alltag. Beobachte deine Umgebung, die Natur, die Menschen und halte fest, was du siehst und erlebst. Gerade in Reisetagebüchern liest man später immer wieder besonders gerne.
7. Trainiere deinen Schreibstil
Warum nicht das Tagebuch zum Schreibtraining nutzen, um neue Schreibstile auszuprobieren, Ideen und Entwürfe für einen Artikel zu sammeln (dieser Blogartikel ist zum Beispiel so entstanden) oder Gedichte zu verfassen, die du zunächst einmal niemandem zeigen willst. Ein Tagebuch bietet dir einen geschützten Ort, an dem deine Texte so lange privat bleiben, wie du es willst.
8. Schreibe jemandem einen Brief, der nie abgeschickt wird
Noch eine Möglichkeit – verfasse einen Brief an eine Person, in dem du all das ausdrückst, was du persönlich nicht sagen kannst. Da der Brief nicht dazu gedacht ist, jemals abgeschickt zu werden, kannst du all deine Wut, Enttäuschung oder Irritation ungefiltert loswerden. Das löst vielleicht nicht das Problem, hilft dir aber dabei, deine Gedanken zu sortieren und besser vorbereitet in ein eventuelles Gespräch zu gehen.
Natürlich funktioniert das auch in die umgekehrte Richtung – zum Beispiel mit einem Liebesbrief!
9. Entwickle deine Intuition
Notiere eine Frage, die dich beschäftigt. Dann atme einmal tief durch und frage dich, ob du die Antwort nicht bereits kennst. Schreibe aus dem Bauch heraus, ohne zu zensieren. Wenn die Antwort sich nicht sofort einstellt, keine Bange. Oft meldet sich die Stimme der Intuition zu einem späteren Zeitpunkt, wenn man mit anderen Dingen beschäftigt ist.
10. Führe ein Traumtagebuch
Siegmund Freud war der Meinung, dass in Träumen nicht nur das Tagesgeschehen verarbeitet wird, sondern dass Träume auch Botschaften aus dem Unterbewusstsein sind. Wenn wir sie richtig zu deuten wissen, können sie uns als entscheidende Wegweiser dienen. Häufig erkennt man die Bedeutung eines Traums, wenn man ihn aufschreibt. Intuitiv weiß man, was der Traum einem über eine bestimmte Lebenssituation sagen will. Da Träume flüchtig sind und man sie meistens sehr schnell vergisst, ist es wichtig, sie direkt nach dem Aufwachen zu notieren. Es reichen schon Stichpunkte, die du später weiter ausführen kannst.
Hast du Lust aufs Tagebuchschreiben bekommen? Dann nichts wie los!
Wenn du Lust bekommen hast, es mit dem Tagebuchschreiben zu versuchen, dann empfehle ich dir auf jeden Fall eine Portion Gelassenheit. Es gibt Zeiten, in denen man sich einfach nicht aufraffen kann und das Schreiben zu kurz kommt. Das ist nicht weiter schlimm, man kann ja immer wieder damit anfangen. Je regelmäßiger man Tagebuch führt, desto schneller wird man feststellen, dass man durch das Schreiben einfach bewusster und aktiver lebt.